Nach Vorstellungen der Hochschulleitung scheint die im Sommersemester 2012 angestoßene Strukturdebatte diesen Monat ihr Ende gefunden zu haben. Auf der Senatssitzung am 14. Februar 2013 legte die Zentrale Strukturkommission ihre Empfehlungen vor. Dass diese Empfehlungen nicht im Interesse der Studierenden und auch vieler Mitarbeiter/innen liegen, zeigen die sich rasch formierenden Proteste vor und während der Senatssitzung. Hintergründe dazu liefert die Stellungnahme unseres Senators Enrico Liedtke:

Sehr geehrte Mitglieder des Senats,

zu den Empfehlungen der Zentralen Strukturkommission an den Senat vom 8. Februar habe ich einige Anmerkungen zu machen, deren Bedeutung sich letztendlich auch in meinem Abstimmverhalten  niederschlagen  wird.  Nicht  zuletzt  auch  als  Mitglied  dieser  Kommission möchte ich zudem mein Bedauern über die Art des Verfahrens sowie Teile des hier nun vorliegenden Ergebnisses äußern. Die  sich  anbahnenden  studentischen  Protest  –  an  dieser  Stelle  sei  die  Fachschaft  Kunstgeschichte  erwähnt  –  zeugen  bereits  von  den  für  studentische  Interessen  nicht  tragfähigen Empfehlungen, die die Kommission ausspricht. Allen Mitgliedern des Senats muss und wird klar sein, dass die Reformprozesse, die mit dem positiven Beschluss über diese Empfehlungen angestoßen werden, von großer Tragweite für das  zukünftige  Profil der  Universität  Trier  sowie  für die  Fächerkultur  und  auch  die  Studierbarkeit sein werden. Nicht nur Forschungsbereiche werden damit abgesteckt, sondern auch –  und dies  ist für die  Studierendenschaft höchst  relevant –  die  Schwerpunktsetzung  in der Lehre,  die  nach  jetziger Beschlusslage  bei  einigen  Fächern  eher  einer  Verengung  gleichkommt, als einem strukturellen Fortschritt. Gleichwohl ich die Strukturdebatte begrüßt habe und mich auch den gegebenen Umständen der Unterfinanzierung der Universität im Ganzen nicht verschließen möchte, habe ich doch grundlegende Kritik an dem bisherigen Verfahren zu äußern, die ich bereits in den Sitzungen der  Strukturkommission  anzustoßen  versucht  habe,  die  jedoch  auf  wenig  Widerhall  gestoßen ist. Will man eine Strukturdebatte in Gang setzen, muss man sich im Voraus darüber klar werden, wohin man will. Dieses Ziel war und ist mir in der Diskussion nicht deutlich geworden; wenn ich nun jedoch auf das Ergebnis blicke, dann wird mir mit Blick auf mögliche Ziele und Vorstellungen  schon  einiges  klarer.  Ein  öffentlich  geäußertes  Konzept,  welches  maßgeblich für eine transparente Debatte notwendig ist, ist dies jedoch noch nicht. In den Jahren 2008 und 2009 sind Hochschulrat und Senat übereingekommen, ein eben solches Konzeptpapier zu entwerfen, das allgemein unter dem Titel „Entwicklungsperspektiven 2020“  bekannt  sein  dürfte.  Der  darin  angestoßene  Entwicklungsprozess  sollte  2012  einer Überprüfung  unterzogen  werden.  Solch  eine  Überprüfung  und  eine  damit  einhergehende Weiterentwicklung  dieser  Strategie  hätte  im  Zuge  dieser  Strukturdebatte  stattfinden  können. Sie tat es nicht.
Da davon auszugehen ist, dass bisher kein alternatives Konzept vorliegt und vor allem auch keiner Legitimation eines demokratisch gewählten Gremiums unterliegt, sind – so scheint es mir – diese Entwicklungsperspektiven 2020 nachwievor gültig. In ihnen heißt es unter anderem: „Die Universität Trier ist eine vorwiegend  geistes- und sozialwissenschaftlich geprägte […]  Hochschule  mit  einem  Schwerpunkt  in  der  Geschichte  und  Gegenwart  Europas.  […]  Sie versteht sich nicht nur als Ort der Vorbereitung auf die berufliche Tätigkeit, sondern auch als Ort der Partizipation und kritischen Reflexion.“ (S. 4), und: „Die akademische Lehre wird im Grundsatz breit angelegt.“ (Punkt 5, S. 4).  Im Hinblick auf die hier vorliegenden Empfehlungen werden diese Ziele nicht nur nicht ausgebaut, sondern vielmehr und zum Teil zielgerichtet mehr oder minder systematisch zurückgefahren. Hier seien insbesondere die Fachbereiche I und III (Philosophie, Kunstgeschichte) angesprochen, aber auch der Fachbereich II mit der Verengung des philologischen Angebots. Zwar  wird  in  dem  Strategiepapier für  2020 auch  die  Förderung naturwissenschaftlicher  Fächer angepeilt; in Anbetracht der derzeitigen Finanzlage scheint ein Ausbau der Universität in ihrer Breite jedoch völlig illusorisch. In diesem Zusammenhang bleibt es auch fragwürdig, inwiefern  die  Etablierung  eines  völlig  neuen  Studiengangs  ‚Klinische  Pflege’  sinnvoll  erscheint, zumal dessen langfristige Finanzierung mehr als unsicher bleibt. Von  einer  sinnvollen  Profilierung  der  Universität  Trier  in  ihrer  fachbezogenen  Aufstellung kann  bei  den  Empfehlungen  der  Strukturkommission  keine  Rede  sein.  Bisherigen  Stärken werden nicht ausgebaut und profilbildende Ergänzungsfächer werden zurückgedrängt. Dies mag wohl auch am Verfahren der Strukturdebatte liegen. Nicht die Fächer und Fachbereiche bauten von unten eine neue Universitätsstruktur auf; vielmehr wurden Vorstellungen von  oben  runtergereicht,  bis  sich  die  kleinsten  (und  schwächsten)  Ebenen  damit  abfinden mussten. Weiterhin war keine Bereitschaft zu erkennen, Strukturen jenseits von Fachbereichsgrenzen zu diskutieren. Zwar wurde stets die Anforderung nach mehr Kooperation zwischen den Fächern  betont;  eine  Mittel-  und  Stellenverteilung  von  einem  in  den  anderen  Fachbereich schien jedoch ein rotes Tuch zu sein. Durch derartige Maßnahmen, die im Übrigen bereits zu Beginn der Debatte vorgeschlagen wurden, hätten Schwerpunkte in der Universitätsausrichtung gesetzt werden können. Stattdessen werden nun die Lasten innerhalb der Fachbereiche – meist zu Ungunsten der kleinen oder schwachen Fächer – verteilt und dabei unter anderem die schon angesprochene geistes- und sozialwissenschaftliche Ausrichtung geschwächt. Diese Pfründensicherung scheint ein gutes Beispiel dafür zu sein, dass sich die Universität als solche alleine wohl nicht zu fundamentalen Veränderungen bewegen lassen kann.
Letztendlich  scheint  mir,  dass  eine  strukturelle  Veränderung,  die  den  Anforderungen  einer Universität gerecht wird – das heißt die wissenschaftliche Ausbildung von jungen Menschen sowie – im Hintergrund stand, während andere Interessen, deren Inhalt man noch nicht ganz zu fassen vermag, die Debatte bestimmten. In dem Zusammenhang scheint es auch, als ob Drittmitteleinwerbungen  höhere  Reputation  genössen  und  sich  anscheinend  als  Qualitätsmerkmal messen lassen, statt sich guter Forschung und damit einhergehend guter Lehre in voller Breite der angebotenen Fächerkultur seine Lorbeeren zu verdienen. Hier muss intensiv über die Rolle der Universität für die Gesellschaft nachgedacht werden. Ich hoffe, meinen Standpunkt in dieser Sache deutlich gemacht zu und – zumindest für einige – nachvollziehbare Kritik geäußert zu haben. Ich bitte auch, dies bei der Abstimmung über die Empfehlungen der Zentralen Strukturkommission zu berücksichtigen. Ich jedenfalls kann ihnen  unter  diesen  Umständen  nicht  zustimmen  und  weiß  mich  in  dieser  Sache  auch  bestärkt durch eine Vielzahl von studentischen Zwischenrufen, den Sorgen, die die Studierenden umtreibt und die durchaus auch gerechtfertigt sind, und die politische Interessenvertretung der Verfassten Studierendenschaft – dem AStA.

 

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